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Universität Heidelberg
Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften
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Deutschland

Zielsetzung

Mithilfe von empirischen Methoden, Laborexperimenten und theoretischen Modellen soll die Nachwuchsforschergruppe das Verständnis von makroökonomischen Erwartungen verbessern sowie die Auswirkungen von Erwartungen auf die Geld- und Fiskalpolitik untersuchen. Wir werden einen Schwerpunkt auf die Analyse neuer Daten setzen, die durch die COVID-19-Pandemie und der daraus resultierenden Wirtschaftskrise entstanden sind. 

Die derzeitige Situation ist einzigartig, da es im Gegensatz zu früheren wirtschaftlichen Krise eine eindeutige und nicht wirtschaftliche Ursache gibt. Besonders durch die Analyse, inwiefern Erwartungen auf neue Nachrichten reagieren, können wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Von besonderen Wert können dabei Nachrichten sein, die über Lösungsmethoden für die COVID-19-Pandemie berichten, beispielsweise Impfstoffe und eine erfolgreiche soziale Distanzierung. Darüber hinaus sind praktisch alle Staaten von dem Virus betroffen, was diese Krise zur globalsten Wirtschaftskrise aller Zeiten macht. Schließlich sind verschiedene Länder und Regionen zu unterschiedlichen Zeiten betroffen, was zu exogenen Variationen der Daten führt, die für die ökonometrische Analyse von unschätzbarem Wert sind. Die Umfragedaten zu Erwartungen führen derzeit zu neuen Erkenntnissen und Hypothesen, wozu die Nachwuchsforschergruppe beitragen soll. 

Diese Hypothesen können in Laborexperimenten, bei denen menschliche Probanden in einer künstlichen, kontrollierten Umgebung Erwartungen bilden, weiter getestet und verfeinert werden. Alle neuen Erkenntnisse aus den beiden oben genannten Methoden können dann in makroökonomischen Modellen verwendet werden. Dies wird dazu beitragen, eine robustere Antwort auf u.a. folgende Fragen zu bekommen: Wie kann die Geld- und Fiskalpolitik die Erholung von einer großen Wirtschaftskrise beschleunigen?

Wie kann die Zentralbank die Erwartungen an ihr Ziel verankern und die Inflation stabil halten? Wie kann eine stabile und niedrige Arbeitslosigkeit erreicht werden? Wie sollte die Geld- und Fiskalpolitik mit Heterogenität in den Erwartungen umgehen?

Stand der Forschung

Erwartungen von Haushalten, Firmen und anderen Wirtschaftsakteuren spielen eine entscheidende Rolle für die Entwicklungen in der Makroökonomie. Die Annahme der vollständig rationalen Erwartungen, die in den meisten makroökonomischen Modellen benutzt wird, stimmt allerdings empirisch nicht ausreichend mit den tatsächlichen Erwartungen von Haushalten und Firmen überein.

Einige alternative Modellierungsansätze gehen davon aus, dass mindestens ein Teil der Erwartungen rückwärtsgerichtet ist. Die Literatur zur empirischen Validierung der rückwärtsgerichteten Erwartungsbildung ist aber klein und nicht vollständig überzeugend. Rückwärtsgerichtete Erwartungen erzeugen eine Persistenz der Erwartungen und sind daher eine mögliche Erklärung für die größere Persistenz, die in Umfragedaten im Vergleich zu rationalen Erwartungen zu finden ist. Es gibt jedoch keine überzeugenden Beweise dafür, dass rückwärtsgerichtete Komponenten die richtige Erklärung für eine höhere Persistenz der Umfrageerwartungen sind und dass Erwartungen tatsächlich durch Berücksichtigung früherer Beobachtungen gebildet werden.
Aktuelle empirische Studien zu Umfrageerwartungen deuten stattdessen eher darauf hin, dass die Erwartungen in Umfragedaten ‚träge‘ sind. Dies bedeutet, dass Prognostiker ihre neuen Prognosen für einen bestimmten zukünftigen Zeitraum teilweise auf Prognosen für denselben Zeitraum stützen, die sie ein Quartal zuvor erstellt haben. Prognostiker revidieren daher ihre Erwartungen in gedämpfter Weise.

Eine weitere Verzerrung in Umfragedaten, die die Erwartungen persistenter macht, könnte darin bestehen, dass einzelne Prognostiker ihre Prognosen teilweise auf die zuletzt beobachtete Medianprognose anderer Prognostiker stützen. Weitere Quellen, auf die einzelne Prognostiker ihre eigenen Prognosen stützen können, werden von politischen Entscheidungsträgern wie Zentralbanken veröffentlicht.

Obwohl oben genannten Verzerrungen Erwartungen persistenter machen, wird gleichzeitig festgestellt, dass Menschen auf neue Informationen überreagieren, zum Beispiel mit einer Extrapolationsverzerrung, wobei Prognostiker die neuesten Nachrichten in der Wirtschaft übermäßig in die Zukunft extrapolieren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt makroökonomischer Erwartungen ist die Heterogenität. In Umfragedaten werden erhebliche Unterschiede zwischen den Erwartungen von Haushalten, Unternehmen und professionellen Prognostikern gefunden. Auch innerhalb der Haushalte und innerhalb der Unternehmen gibt es große Unterschiede.

Methoden und Erkenntnisse

Die oben genannten neuen Erkenntnisse sind Teil einer aufkeimenden Literatur zur empirischen Analyse von Erwartungen aus Umfragedaten und Laborexperimenten. Die beträchtlichen Fortschritte, die in dieser Literatur in den letzten Jahren erzielt wurden, haben die Tür für
weitere Forschung geöffnet und hierzu soll die Nachwuchsforschergruppe beitragen. Dazu stützt die Nachwuchsforschergruppe auf drei methodische Säulen.

Die erste Säule ist die empirische Analyse von Erwartungsdaten aus verschiedenen Umfragen. Der Schwerpunkt dieser Säule wird auf der Analyse sehr neuer Daten liegen, die zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Vorschlags noch entstehen. Indem wir analysieren, wie makroökonomische Erwartungen auf die COVID-19-Pandemie reagieren, können wertvolle neue Erkenntnisse über die Erwartungsbildung gewonnen werden. 

Die zweite methodische Säule der Nachwuchsforschergruppe werden kontrollierte Laborexperimente sein. In solchen Experimenten kann eine Forscherin oder ein Forscher
einen bestimmten Teil des wirtschaftlichen Umfelds oder des Informationssatzes von Probanden über Treatments hinweg exogen variieren, während alles andere konstant bleibt. Diese Methodik ist daher ideal, um Theorien und Hypothesen zur Erwartungsbildung, die aus der empirischen Analyse von Umfragedaten gewonnen wurden, weiter zu testen und zu verfeinern.

Die dritte methodologische Säule besteht darin, die jüngsten Erkenntnisse zum Thema Erwartungen aus Umfragen und Laborexperimenten in die makroökonomische Modellierung einzubeziehen. Dieser Baustein ist elementar, da man mithilfe von makroökonomischen Modellen Aussagen darüber treffen kann, wie Zentralbanken ihren Zinssatz festlegen sollten und Finanzpolitik am effektivsten ist. Diese Säule schlägt daher die Brücke zwischen den ersten beiden Säulen und der Geld- und Fiskalpolitik.

Zusammen können die drei methodischen Säulen dazu beitragen, dass wir schlussendlich zu einer einheitlichen Theorie der Erwartungsbildung gelangen, die mit den empirischen Erkenntnissen übereinstimmt und die makroökonomischen Erwartungen erklären kann. Mit so einer realitätsnahen einheitlichen Theorie der Erwartungsbildung können große Fortschritte in Bezug auf Empfehlungen für eine wirksame und robuste Geld- und Fiskalpolitik erzielt werden. Dies wird den politischen Entscheidungsträgern helfen, besser auf Wirtschaftskrisen, wie die Finanzkrise 2007/2008 und die aktuelle Krise ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie, zu reagieren. Generell könnte die Theorie dazu beitragen ein stabileres wirtschaftliches Umfeld mit geringer Arbeitslosigkeit und Inflation zu manifestieren.